Kopfhörer Philips Fidelio T1 - Boehmke Online

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Kopfhörer Philips Fidelio T1

Typ: In-Ohr, geschlossen, Bluetooth, ANC
 
Bewertung:
(Gesamtwertung)
(nur Klang)

Als Ergänzung zu meinem recht großen – und damit manchmal störenden – Kopfhörer (KH) B&W PX5 suchte ich nun eine kleinere Variante. Dafür kam letztlich nur das Im-Ohr-Prinzip infrage, „echt drahtlos“ und auch wieder mit aktiver Geräusch-Unterdrückung, im hipperen Englisch also als in ear mit true wireless und ANC (von Active Noise Cancelling). In die engere Auswahl schaffte es die folgende kleine, alphabetisch geordnete Gruppe:
  • LG Tone Free DFP9
  • Philips Fidelio T1
  • Samsung Galaxy Buds2 Pro
  • Sennheiser Momentum True Wireless 3
  • Sony WF-1000XM4
  • Sony Linkbuds S
Die Straßenpreise der KH lagen im Dezember 2022 zwischen 100 und 200 Euro und schwankten tagesaktuell stark.
Am Ende, nach dem Studium zahlreicher Tests und dem Vergleich im Elektronikmarkt vor Ort, entschied ich mich für Philips' Fidelios und beschreibe nun meine ersten Erfahrunggen damit.
Die Verarbeitung der KH sowie des Lade-Etuis ist tadellos. Beide überzeugen mit viel Aluminium und hochwertigen Kunststoffen. Alles wirkt maßgeschneidert, Spiel kann ich nirgendwo feststellen. Die KH scheinen recht groß, sind jedoch angenehm leicht und vermitteln einen robusten Eindruck.
Für mich fühlen sich Schaumstoff-Stöpsel im Ohr schnell unangenehm an, deswegen setze ich bei Im-Ohr-KH schon lange auf Silikon-Stöpsel. Damit sie das Ohr gut verschließen – wichtig für gute Schall-Isolierung und guten Klang (insbesondere für Bass und Räumlichkeit!) –, setze ich sie eher eine Nummer zu  groß ein, als zu klein. Den T1 liegen Stöpsel in genügender Anzahl und fein abgestimmten Größen bei, so dass ich schnell die passenden fand.
Stimmen die Stöpsel, stimmt für mich auch der Sitz: Die KH sitzen fest aber dennoch nicht störend. Das etwas klobig anmutende Äußere wirkt sich (bei mir) also nicht auf den Tragekomfort aus. Lediglich beim Liegen auf der Seite, auf einem härteren Kissen, werden sie schnell unangenehm. Seiten-Schläfer werden mit ihnen nicht einschlafen können! Aber dies trifft auf alle KH zu, die ich bislang besaß. Den Sitz beim Sport kann ich nicht wirklich beurteilen, da ich keinen Sport mit KH betreibe, aber ich vermute, dass sie bei zu starken Bewegungen (Joggen …) zum Herausfallen neigen.
Ein Phänomen, das ich aber schon bei allen Im-Ohr-KH beobachtete, ist die Empfindlichkeit für den eigenen Körperschall: Atem-, Verdauungs- und je nach eigener Position sogar Kreislaufgeräusche werden deutlich wahrgenommen. (Ich kenne das auch von den reinen Schallschutz-Stöpseln aus Schaumstoff, die man sich in die Ohren stecken kann.) DIe Fidelios sind hier keine Ausnahme. Bei den großen KH-Bauformen habe ich dieses Problem nicht.
Stimmen die Stöpsel, stimmt auch der Klang – gutes Quellmaterial und einen guten Zuspieler vorausgesetzt! Die T1 überzeugen durch das weitgehende Fehlen klanglicher Verfärbungen, sie arbeiten sehr breitbandig sowie verzerrungsarm (auch bei sehr hohen Pegeln!) und produzieren ein neutrales, vielleicht eher warmes Klangbild. Daneben überzeugen die mit einem recht hohem Auflösungsvermögen. Die Sprachverständlichkeit ist sehr gut, Stimmen – gleichgültig, ob gesprochen oder gesungen – klingen immer sehr natürlich und präsent. Die Bässe sind nicht übertrieben angehoben, wie in manch anderen KH, reichen dafür aber sehr weit hinunter. Auch in den Höhen klingen die T1 eher samtig-sanft als aggressiv. Um Missverständnissen vorzubeugen: Ich hatte beim Hören nie das Gefühl, dass irgendetwas fehlen würde – es wird nur nichts übertrieben wiedergegeben. Auf die dauerhaften, leichten (oder auch stärkeren) loudness-ähnlichen Anhebungen im Tief- und Hochtonbereich, wie bei vielen anderen KH, wurde hier glücklicherweise verzichtet, weswegen natürliche Instrumente und Stimmen auch so naturgetreu klingen. Im Ganzen kommen die Fidelio T1 damit mühelos an meine drahtgebundenen Im-Ohr-KH Sennheiser IE8 heran, klingen manchmal sogar ein wenig klarer.
In einem Punkt übertreffen die Fidelios die Sennheiser-KH auf jeden Fall: in der Darstellung des Raumes. In Bezug auf die Im-Ohr-Bauart war ich ziemlich überrascht von der Größe der virtuellen Bühne, welche die T1 bei entsprechenden Aufnahmen abzubilden imstande sind, sowohl in der Breite wie auch in der Tiefe. Einzelne Instrumente sind präzise räumlich voneinander getrennt und stabil ortbar. Das Geschehen spielt sich dabei nicht nur zwischen den Ohren im Kopf ab, sondern auch darüber hinaus. Ich habe bislang keinen Im-Ohr-KH gehört, der über solche Eigenschaften verfügt und kenne dies sonst nur von ohrbedeckenden oder -umschließenden KH.
Solange die Aufnahmetechnik stimmt, haben die T1 keine musikalischen Vorlieben. Nicht nur Pop-/Rockmusik klingen gut, sondern auch Jazz und Klassik; hier sowohl kleine Kammermusik-Ensembles, wie auch größere Orchester- oder Opern-Besetzungen. Daneben überzeugen die Fidelios auch bei Hörspielen oder (gut gemachten) Podcasts.
Zusammenfassend möchte ich zum Klang sagen: Klingt wie ein Großer! (Um es noch einmal zu betonen: Wenn man die passenden Aufsätze gefunden hat und die KH perfekt sitzen!)
Beim ANC frage ich mich manchmal nach seinem Sinn. Die KH selbst haben eine gute Grunddämpfung, wie viele Im-Ohr-Geräte, wenn sie richtig sitzen. Das ANC bringt nur wenig Verbesserung. Bei höheren Umgebungslautstärken wirkt es gefühlt schlechter als bei niedrigeren. Im Frequenzspektrum wirkt es sich am stärksten auf niedrigere Frequenzen aus. Dadurch kommen Tiefen und untere Mitten der abgespielten Musik bei eingeschaltetem ANC auch ein wenig deutlicher zur Geltung. Aber das ANC der Fidelios arbeitet längst nicht so effizient wie bei einem größeren KH, der auf dem Ohr oder ohrumschließend getragen wird. Bei meinem B&W PX5 wirkt es im Ganzen deutlich stärker, bis weit in den Mitteltonbereich hinein;  wogegen sich die Unterschiede zu den Höhen hin auflösen – hier wirken beide (prinzipbedingt) kaum noch. Dennoch: Die spürbare Dämpfung des ANC hilft in jedem Fall, beispielsweise in öffentlichen Verkehrsmitteln, den Lautstärkepegel abgespielter Musik niedriger einzustellen als ohne ANC.
Die Akkus kann ich (noch) nicht endgültig beurteilen, da meist ca. 5 Lade-/Entladezyklen benötigt werden, bis diese ihre volle Kapazität erreicht haben. Das Lade-Etui schloss ich bei Erreichen einer Ladekapazität von 20 % (nach knapp 30 Stunden Hördauer bei mittlerer Lautstärke  mit ANC) ans Ladegerät an. Da moderne Lithium-Akkus keine Tiefentladung mögen, lasse ich sie vorsichtshalber nicht leerlaufen und begnüge mich mit etwas niedriger Laufzeit. Unter Berücksichtigung der genannten Punkte scheint die Herstellerangabe zur Akkulaufzeit korrekt und liegt in einem recht guten Bereich. Zum Vergleich: Mein „großer“ B&W PX5 muss nach rund 25 Stunden Betriebsdauer ans Ladegerät.
Die einzigen Angriffsflächen für Kritik am Fidelio T1 bieten Bedienung und Ausstattung.
Zunächst zur Bedienung. An den Kopfhörern selbst kann nicht viel bedient werden, da sie nur über jeweils eine berührungsempfindliche Tastfläche verfügen. Am linken Hörer können Apples oder Googles Sprach-Assistent ein- und ausgeschaltet werden. Am rechten werden ANC-Modi umgeschaltet, außerdem findet ein wenig rudimentäre Anruf- und Musikverwaltung statt. Das Smartphone sollte also besser immer griffbereit sein, insbesondere für die wichtige Lautstärke-Einstellung, welche direkt am Ohr nicht möglich ist!
Die Philips Kopfhörer-App (als Apple-Verweigerer habe ich natürlich nur die Android-Version ausprobiert) dient in erster Linie als Batteriestands-Anzeige. Auch gibt es einige (wenige) Einstellungen fürs ANC. Der rudimentäre Player ist meiner Meinung nach überflüssig; ebenso der Equalizer, weil keine der vier vorgegebenen Einstellungen eine sinnvolle Klangänderung hervorbringt. Besser wäre eine freie Einstellbarkeit über mehrere Frequenzbänder mit der Möglichkeit, mehrere Einstellungen selbst speichern zu können. Glücklicherweise verfügen einige Musikabspiel-Apps über geeignete Equalizer, wie beispielsweise Neutron oder Poweramp. Leider wirken diese dann nur auf abgespielte Musik und nicht global, also beispielsweise auch für gestreamte Videos. Ergänzend muss ich allerdings noch einmal erwähnen, dass die Fidelios eine hervorragende Grundabstimmung haben, so dass Frequenzgang-Korrekturen selten nötig sein sollten!
In Hinblick auf die Wiedergabe von TV und Video gibt es einen weiteren gewaltigen Nachteil: Es ist kein Codec an Bord, der mit niedriger Latenz arbeitet. (Zur schnellen Erklärung: Latenz ist die zeitliche Verzögerung des Signals beim Durchlauf durch eine Baugruppe.) Im Gegensatz zum aptx-Codec, der eine low-latency-Variante mit max. 40 ms zur Verfügung stellt, kommt der ansonsten hochwertige LDAC-Codec nur auf 200 ms:
Codec
Latenz
SBC170–270 ms
AAC90–150 ms
aptx60–80 ms
aptx HD150–200 ms
aptx Low Latency<40 ms
LDAC200 ms
Beim Video-Streamen kommt es so zu einem starken Versatz zwischen Lippenbewegungen im Bild und der gehörten Sprache. Mich persönlich stört das sehr, zumal ich schon auf kleinere Latenzen von 60–80 ms empfindlich reagiere. Auch hier gibt es Videoplayer-Apps, in denen man eine Anpassung vornehmen kann, dies funktioniert dann aber auch nur aus der jeweiligen App heraus mit lokal gespeicherten Videos und nicht beim Streamen über den Internetbrowser.
Große Frage am Ende: Sind die Fidelio T1 ihren Preis wert? Die unverbindliche Preisempfehlung (UVP) scheint mit rund 300 Euro recht hoch gegriffen, allerdings lag auch mein alter Sennheiser IE8 mehr als 10 Jahre zuvor bei genau dieser UVP. Da die Fidelio-Kopfhörer nicht schlechter klingen (ganz im Gegenteil sogar einige Vorzüge bieten) würde ich die Frage also mit einem Ja beantworten – solange man mit den oben beschriebenen Kritikpunkten bei Ausstattung und Bedienung leben kann. Dazu muss ich noch sagen, dass ich keinen KH ähnlicher Bauart fand, der mich in diesen Punkten komplett überzeugt hätte. Jeder hat seine individuellen Schwächen – und die Fidelios klingen einfach phänomenal gut, was den Ausschlag dafür gab, dass ich sie behielt. Weil die KH mittlerweile – gut ein Jahr nach ihrem Erscheinen – im Schnitt nur noch die Hälfte kosten (oder in Sonderaktionen mit rund 100 Euro sogar nochmal deutlich weniger!), beantworte ich die Eingangsfrage sogar mit einem ganz ausdrücklichen Ja!
 
05.01.2023


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